Bereits seit dem Altertum ist die wohltuende Wirkung des Reitens für
Körper und Seele bekannt. Diese Wirkung macht sich das Therapeutische
Reiten zu Nutze; psychosoziale und körperliche Störungen können gelindert
werden.
Seit 1970 wird therapeutisches Reiten in Deutschland organisatorisch vom
Dachverband "Kuratorium für Therapeutisches Reiten (DKThR)" mit Sitz in
Warendorf inhaltlich entwickelt und strukturiert. Das DKThR ist der FN
(Deutsche Reiterliche Vereinigung) angegliedert. Seit 1976 werden über das
DKThR Ausbildungslehrgänge angeboten, seit 1977 besteht ein festes Angebot
der beruflichen Zusatzqualifikationen in den jeweiligen Fachbereichen.
Reittherapeut/-pädagoge (DKThR) kann man nach abgeschlossener, primärer
Berufsausbildung mit einer anerkannten Zusatzausbildung über das DKThR
werden. Der Bereich, in welchem der Reittherapeut/-pädagoge seine
Zusatzqualifikation erwerben kann, richtet sich unter anderem nach der
primären beruflichen Bildung.
Ende
der 50er Jahre entstand die Hippotherapie als medizinischer Ansatz bzw.
als neurophysiologische Behandlung auf dem Pferd. Ärzte und Therapeuten
entdeckten die Chance Pferde bei der Behandlung kranker oder behinderter
Menschen einzusetzen.
Durch die gangtypischen rhythmischen Bewegungen des Pferderückens ergaben
sich so neue Behandlungsmöglichkeiten für neurophysiologische Störungen.
Die
Therapie wird ärztlich veordnet und von einem Physiotherateuten mit
Hippotherapielizenz (DKThR) durchgeführt.
Die Wirkungsweise der Therapie basiert auf der Nutzung der
dreidimensionalen Bewegungsimpulse, die über den Pferderücken in der
Gangart Schritt auf das Becken und den Rumpf des Patienten weitergegeben
werden. Sie entsprechen dem menschlichen Gang in den großen Gelenken wie
Schulter, Hüfte, Knie und Wirbelsäule. Der Patient wird hierbei auf dem
Pferd bewegt, sodass reiterliche Vorkenntnisse nicht notwendig sind.
Die Methode ist vom Zentralverband der Krankengymnasten (ZVK) e.V.
anerkannt, die Therapiekosten werden nur im Einzelfall von gesetzlichen
Krankenkassen übernommen.
Die Therapie findet im Einzelsetting, vorrangig am Langzügler statt.
In den 1960er Jahren entwickelte sich ein eigenständiger Ansatz zur
pädagogischen Nutzung des Pferdes.
Im Umgang mit dem Pferd und beim Heilpädagogischen Reiten und Voltigieren
wird der Mensch ganzheitlich angesprochen: körperlich, geistig, emotional
und sozial.
So stell dies eine Maßnahme dar, die stark zunehmend in der Pädagogik, in
der Psychologie und in bestimmten Bereichen der Psychiatrie Eingang
findet.
Pädagogische, psychologische, rehabilitative und sozial- integrative
Angebote werden mit Hilfe des Pferdes bei Kindern, Jugendlichen und
Erwachsenen mit Behinderung und Störungen zusammengefasst. Hierbei steht
das Medium Pferd im Vordergrund, um positive Verhaltensänderungen
einzuleiten und zu unterstützen und nicht der Erwerb sportmotorischer
Fähigkeiten.
Beim Heilpädagogischen Reiten und Voltigieren lernen Kinder, Jugendliche
und Erwachsene den verantwortungsvollen und selbständigen Umgang mit dem
Lebewesen Pferd. Die individuelle Förderung der geistigen und sozialen
Entwicklung wird in der Beziehung zwischen Mensch und Pferd ermöglicht.
Die Einwirkung auf das Pferd erfordert eine feinfühlige Dosierung und
Koordination unterschiedlicher Muskelgruppen.
Hierbei, sowie beim Arbeiten innerhalb der Gruppe, werden Reaktion und
Konzentration, Psychosoziale Verhaltensweisen und motorisches
Anpassungsvermögen gefördert.
Das Heilpädagogische Reiten und Voltigieren findet vorrangig in der
Gruppe, selten in der Einzeltherapie statt.
Sportler mit Behinderungen, die Pferdesport betreiben, gibt es seit jeher.
Reiten, Fahren und Voltigieren gehören zu den wenigen Sportarten, die
Menschen mit Behinderungen und Nichtbehinderung gemeinsam ausführen
können.
Durch das Reiten für Menschen mit Behinderungen bietet sich den Menschen
eine Interessen -und Hobbymöglichkeit, die Möglichkeit zu sozialen
Kontakten, ein Ausgleich zu behinderungsbedingter Bewegungsarmut, sowie
(fast) ungehinderte Bewegungsfreiheit auf "4 gesunden Beinen".
Der Pferdesport ist mit speziellen Hilfsmitteln und besonders geschulten
Pferden auch Schwerbehinderten zugänglich.
Seit 1996 wird das
Ergotherapeutische Reiten SI-orientiert als Zusatzqualifikation für
Ergotherapeuten über das DKThR angeboten. In der neurophysiologischen
Struktur des Menschen gibt es ein Zusammenspiel verschiedener System mit
dem Ziel, die Sinneseindrücke zu filtern, sie sinnhaft zu deuten und für
den folgerichtigen Gebrauch zusammenzustellen. Dieser Vorgang wird als
Sensorische Integration (SI) beschrieben. Die Integration von
Sinneseindrücken über das Wahrnehmen und Bewegen bestimmen die
psychomotorischen Fähigkeiten, das Sozialverhalten und die
Persönlichkeitsentwicklung des Menschen.
Beim ergotherapeutischen Reiten SI-orientiert trägt das Pferd durch sein
artspezifisches Verhalten, durch seine Bewegungsmuster sowie die typische
Umgebung wesentlich zur Förderung dieser bei.
Das Ziel dieser Therapieform ist nicht das Erlernen des Reitens, sondern
der Gewinn und die Förderung motorischer und sozio-emotionaler Fähigkeiten
im Umgang mit dem Pferd und auf dem Pferd durch die SI (Sensorische
Integration).
Gruppendynamische Prozesse können helfen, Entwicklungsrückstände
aufzuholen und sozio-emotionale Auffälligkeiten zu verbessern.
Die Therapie findet vorrangig als Einzeltherapie, je nach Schwerpunkt auch
innerhalb einer Kleingruppe statt.